Die Stadt Drengfurt in Ostpreussen
am Anfang des 19. Jahrhunderts
- heute: Srokowo in Polen -
Wappen von Drengfurt

(aus den Erzählungen von Lina Trikojis über meine Ur-Ur-Urgroßmutter Lina Obitz 1802 - 1888)
 

"Schlimme Räuber waren damals die Wölfe, die in kalten Wintern oft rudelweise in die Stadt Drengfurt kamen und manches Schaf aus dem Stall holten. Um sie in den kalten Winternächten zu verscheuchen, hatte der Nachtwächter eine Schnarre, die ein ohrenbetäubendes Geräusch machte, das die Wölfe nicht liebten. Ebenso konnte man sie durch Funkenschlagen am Feuerstein vertreiben, was besonders Fahrten über Land oder zur nächsten Stadt benutzt wurden. Waren die Bestien jedoch zu hungrig, so mußte mancher Bauer ein Pferd ausspannen und opfern, und mit dem andern das Weite suchen.

Sehr primitiv waren damals in der kleinen Stadt die Schulverhältnisse. Der Lehrer war gleichzeitig Schuhmacher, der auch während der Unterrichtsstunden sein ehrsames Handwerk betrieb. Wenn es nötig war, wurde der Schusterriemen gleich dazu benutzt, kleine Übeltäter zu strafen und die nötige Disziplin wieder herzustellen. Die Kinder lernten lesen, rechnen, schreiben, in Religion hauptsächlich einiges aus dem Katechismus. Da meine Großmutter (Lina Obitz), wie der Schulmeister sagte, einen hellen Kopf hatte, wollte sie auch gerne Schreiben lernen, allein das erlaubte der Vater nicht. Die Jungens mussten alles lernen, für die Mädchen genügte Rechnen, Lesen und Religion. Dazu gehörten sie an den Webstuhl und in die Küche. Meine Großmutter hat es noch im späten Alter unendlich bedauert, dass sie keinen Brief schreiben konnte und sich jede geschriebene Zeile vorlesen lassen musste ...
 
 
Drengfurter Kirche Drengfurter Rathaus
Kirche heute Rathaus heute

Meine Großmutter heiratete im Jahre 1827 einen Erdmann Depkath, der von seiner ersten Frau geschieden war. Ursprünglich war er reitender Gendarm, wurde dann in Drengfurt Epekutor und Gerichtsdiener, konnte aber weder lesen noch schreiben. Er muß aus der Gegend vom kurischen Haff stammen, wo früher die sogenannten Zwiebelkuren wohnten, die alljährlich zur Zeit der Kornernte in der Provinz umherfuhren und ihre Zwiebeln gegen Getreide eintauschten. Einige von diesen Kuren kamen auch bisweilen nach Drengfurt und bestellten dann Grüße von Verwandten des Erdmann Depkath. Es ist schade, das wir von dessen Vorfahren weder Geburtsjahr, noch Geburtsort erfahren haben. Er muß jedoch in Königsberg Soldat gewesen sein, denn dort lebte seine erste geschiedene Frau mit ihrer Tochter Mina (?).

1848 erfaßte die große Revolution auch das kleine Städtchen Drengfurt. Es kam soweit, daß die sonst so ehrsamen Bürger von Drengfurt ihren Bürgermeister auf einer Schubkarre durch die Stadt fuhren. Zur Strafe dafür wurde der Stadt das Amtsgericht genommen, so daß Drengfurt wohl die einzige Stadt ist, die ein solches Gericht nicht besitzt ... "

Bei Drengfurt









Erstellt am : 06.02.2002
Last Update : 06.02.2002