Leben in Gross Schwansfeld - Teil 1
Teil 2
(heute : Labednik in Polen)
im 19. und frühen 20. Jahrhundert

Bauernhaus in Gross Schwansfeld

Die Familien Pudel und Matthae waren bis ins späte 19. Jahrhundert Gärtner, Instleute, Einlieger und Wirtsleute in und um Gross Schwansfeld (heute polnisch: "Labednik"). Der Ort liegt an der Chaussee von Bartenstein nach Rastenburg. Bemerkenswert ist, dass die meisten Vorfahren aus einem ganz kleinen Umkreis kommen. Der Aktionsradius des Einzelnen war damals eben bei weitem nicht so groß wie heute.

In Ostpreussen waren Instleute oder Einlieger die Landarbeiter auf einem Gut bzw. auf einem größeren selbständigen Bauernhof. Diese alten Bezeichnungen sind durchaus vergleichbar mit dem Kätner oder Eggediener in Niedersachsen.

Über das Leben in Gross Schwansfeld gibt es als Quelle den Bericht "JUGENDZEIT IN OSTPREUSSEN" des Friedrich von der Groeben, Sohn des Schlossbesitzers von Groß Schwansfeld, den ich als Grundlage für folgende Beschreibung verwendet habe.

Das Dorf Gross Schwansfeld zählte damals (um 1930) ca. 350 Einwohner. Die meisten von ihnen, d.h. ca. 40 Familien, waren Landarbeiter, sog. Instleute, die auf dem Gut beschäftigt waren. Die Häuser, in denen diese Familien wohnten, Insthäuser genannt, gehörtem zum Gut. In jedem wohnten mindestens zwei bis vier Familien. Außer diesen Instleuten lebten im Dorf ein Pfarrer, eine Krankenschwester, ein Tischler, ein Schuster, ein Sattlermeister, zwei Postboten, der Dorfschullehrer (er war gleichzeitig Kantor in der Kirche) und etwa vier selbständige Bauern. Diese hatten ebenfalls ein oder zwei Landarbeiterfamilien. Komplettiert wurde alles durch den Krugwirt, der auch eine Schlachterei, einen Krämerladen und einen Viehhandel betrieb.

Bauernstube in Gross Schwansfeld

Das Gut spielte aber eine dominierende Rolle für das Dorf, der Gutsherr war zugleich Bürgermeister, Bezirksamtsvorsteher sowie auch Patron der Kirche. Zum Gut gehörten drei Vorwerke: Sporwienen, Mathiashof und Gotthilf, wo insgesamt etwa 30 Familien wohnten und als Instleute arbeiteten. Vorwerke waren Nebenhöfe, die notwendig waren, denn ein Besitz mit mehr als 1000 ha Land und Wald war zu groß, um zentral bewirtschaftet zu werden. In der Nähe lagen die Güter Sporgeln und Paßlak.

Früher wurde die Landwirtschaft mit wesentlich mehr Menschen in teilweise aufwendiger Handarbeit betrieben. Die Felder wurden von Arbeiterinnen und Arbeitern und mit Pferden bestellt. In Gross Schwansfeld gab es um 1930 bereits Elektrizität, was aber keineswegs selbstverstänlich war. Viele Güter und Dörfer wurden teilweise erst Ende der 30er Jahre an das Stromnetz angeschlossen, Gotthilf z.B. blieb bis 1945 ohne Elektrizität.

Ab etwa 1900 kamen als zusätzliche Arbeitsmaschinen auf den riesigen Gütern in Ostpreussen Lokomobile zum Einsatz, um Dreschmaschine, Sägewerk usw. anzutreiben. Die Lokomobile arbeiten nach dem Prinzip der Dampflokomotive, sie bewegen sich aber nicht auf Schienen. Sie haben zwar vier Räder, werden aber meistens von Pferden an den jeweiligen Einsatzort oder zum Pflügen oder Antreiben einer Dreschmaschine auch auf dem Felde gezogen.

Zum Maschinenpark für die Ernte gehörten dann auch Selbstbinder, die das Getreide mähten und es sofort zu Garben banden. Diese Garben wurden dann zum weiteren Trocknen für einige Tage in Hocken aufgesetzt, bevor sie von vierspännigen Pferdewagen in die Scheunen oder direkt zur Dreschmaschine gebracht wurden. Alles Arbeiten, die bis zum Ende des 19. Jahrhunderts in mühevoller Handarbeit verrichtet werden mussten. Das Pferd spielte bei allen Arbeiten in der Landwirtschaft eine entscheidende Rolle, sei es zum Ziehen der Sämaschinen, sei es beim Pflügen und Eggen und beim Einbringen der Ernte. Bei all diesen Arbeiten waren es Gespanne von jeweils vier Pferden im Einsatz.

Auf dem Gut wurde generell von den Produkten gelebt, die aus dem Gutsbetrieb kamen: Fleisch, Geflügel, Eier, Fische sowie Wild und natürlich Brot, Kartoffeln, Kohl, und Gemüse sowie Obst aus der Gutsgärtnerei. Kurzum, man war Selbstversorger. Ähnlich war es bei den Instleuten, die neben dem Barlohn auch Naturalien erhielten. Jede Arbeiterfamilie hatte das Recht, eine eigene Kuh zu halten, die alle in einem separaten Stall standen und für die das Gut das Heu und die Rüben zu liefern hatte. Im Sommer hatten diese Kühe eigenes Weideland, ebenfalls separat von der Viehherde des Gutes.

Jeder Arbeiter hatte einen kleinen Hühner- und Schweinestall und bekam vom Gut Getreide, mit dem dann Hühner und Schweine gefüttert wurden. Ein oder zwei Schweine pro Jahr verkaufte der Arbeiter, eines wurde selbst zur Versorgung der Familie geschlachtet. Zur Konservierung wurden die Schinken wie auch die Wurst geräuchert. Dieses erfolgte im Hause wie auch das Backen des Brotes. Das Schloss hatte dafür im Küchenanbau außer der Räucherkammer und dem großen Backofen auch einen Obst- und Gemüsekeller, in dem sich die Äpfel bis zum Frühjahr frisch hielten.

Auch ein Stück Land zum Anbau von Kartoffefn stand jedem Gutsarbeiter zu sowie die Aufzucht von Gänsen, wobei jede sechste Gans an die Gutsküche abgeliefert werden musste. Die Instleute waren also autark und die vorerwähnten Leistungen entsprachen dem Tarifvertrag. Die Handwerker des Gutes, wie Schmied, Maschinist, Stellmacher, Sattler hatten Sonderkonditionen. Hierzu gehörte das Halten von zwei Kühen und anderen Vorteilen.

Das Leben in Gross Schwansfeld Teil 2
 

Erstellt am : 18.11.2000
Last Update : 21.01.2002